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Anmerkung zu:BAG 6. Senat, Urteil vom 16.03.2023 - 6 AZR 130/22
Autor:Sebastian Baunack, RA, FA für Arbeitsrecht und FA für Verwaltungsrecht
Erscheinungsdatum:06.12.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 106 GewO, Art 20 GG
Fundstelle:jurisPR-ArbR 49/2023 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Baunack, jurisPR-ArbR 49/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Tarifliche Bekanntgabefristen von Dienstplänen mitbestimmungsrechtlich neutral



Leitsatz

Ein Dienstplan ist i.S.d. § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA bereits dann „aufgestellt“, wenn der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts die anfallenden Dienste geplant und den Dienstplan bekannt gemacht hat. Nicht erforderlich ist, dass der Betriebs- bzw. Personalrat dem Dienstplan zustimmt oder die Einigung durch die Einigungsstelle ersetzt wird.



Orientierungssatz zur Anmerkung

Sieht ein Tarifvertrag vor, dass ein Zuschlag zu zahlen ist, wenn der Arbeitgeber den Dienstplan verspätet bekannt gibt, so bedarf die fristwahrende Bekanntgabe nicht des erfolgreichen Abschlusses des Mitbestimmungsverfahrens.



A.
Problemstellung
Arbeitnehmer:innen bedürfen einer Planungssicherheit hinsichtlich ihrer Arbeitszeiten, um ihre privaten Interessen und Sorgeverpflichtungen mit ihrer Arbeitsverpflichtung abstimmen zu können. Beschäftigte, denen im Rahmen von flexiblen Arbeitszeitmodellen ein großes Maß an Arbeitszeitsouveränität zugestanden wurde, können ihre Arbeitszeiten weitgehend selbst so planen, dass sie ihren Interessen und Verpflichtungen außerhalb des Arbeitsverhältnisses gerecht werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine qualifizierte Gleitzeitvereinbarung besteht, also keine Kernzeiten einzuhalten sind. In einem solchen Modell haben die Arbeitnehmer:innen ein Höchstmaß an Arbeitszeitsouveränität. Ein hohes Maß an Planbarkeit besteht auch dann, wenn die Arbeitnehmer:innen zu festen Arbeitszeiten ihre Arbeitsleistungen zu erbringen haben, also an bestimmten Tagen jeweils zu ganz konkreten Uhrzeiten arbeiten. Die Arbeitszeitsouveränität liegt hier beim Arbeitgeber, welcher jedoch sein Direktionsrecht derart ausgeübt hat, dass die Arbeitnehmer:innen lange vorab wissen, an welchem Datum sie zu welchen Zeiten zu arbeiten haben werden.
Problematisch sind hingegen wechselnde Arbeitszeiten für Arbeitnehmer:innen, die in einem Wechselschichtmodell nach einem Dienstplan arbeiten. Wechselschichten werden häufig derart geplant, dass Frühschichten, Tagschichten, Spätschichten und Nachtschichten einander abwechseln. Auch Bereitschaftszeiten und Rufbereitschaftszeiten werden entsprechend geplant. Die Arbeitszeitsouveränität liegt hier beim Arbeitgeber. Dieser hat bei der Planung auf die berechtigten Interessen der Arbeitnehmerinnen hinsichtlich der Planung ihrer privaten Interessen und Verpflichtungen dahin gehend Rücksicht zu nehmen, dass er die Dienstplanung hinreichend frühzeitig aufstellt und den Arbeitnehmer:innen bekannt gibt. Je später die Bekanntgabe erfolgt, desto größer ist das Konfliktpotenzial zwischen der Arbeitsverpflichtung und den privaten Interessen und Verpflichtungen der Arbeitnehmer:innen. Solche Wechselschichtmodelle sind insbesondere auch im Bereich der Pflege- und Sorgearbeit, in welchen überdurchschnittlich häufig Frauen arbeiten, weit verbreitet. Um dieser Rücksichtnahmeverpflichtung des Arbeitgebers Rechnung zu tragen, sehen Tarifverträge und Betriebs-/Dienstvereinbarungen regelmäßig Ankündigungsfristen vor, nach welchen die Dienstplanung bis spätestens zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Beginn des Planungszeitraums den Arbeitnehmer:innen bekannt gegeben werden muss. Um die Einhaltung der Planungszeiträume abzusichern, werden zum Teil auch Sanktionen vorgesehen, welche eintreten, wenn die Bekanntgabe des Dienstplans verspätet erfolgt.
So verhält es sich etwa beim TV Ärzte VKA hinsichtlich der Anordnung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften. Die Tarifvertragsparteien haben in § 10 Abs. 1 TV Ärzte VKA die Verpflichtung der Ärzt:innen verankert, Bereitschaftsdienste zu leisten. Zum 01.01.2020 haben die Tarifvertragsparteien eine neue Regelung eingeführt, welche wie folgt lautet:
„Die Lage der Dienste der Ärztinnen und Ärzte wird in einem Dienstplan geregelt, der spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraumes aufgestellt wird. Wird die vorstehende Frist nicht eingehalten, so erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 für jeden Dienst des zu planenden Folgemonats um 10 Prozentpunkte bzw. wird zusätzlich zum Rufbereitschaftsentgelt ein Zuschlag von 10 Prozent des Entgelts gemäß § 11 Abs. 3 auf jeden Dienst des zu planenden Folgemonats gezahlt. (…)“
Es besteht demnach eine Dienstplanungsfrist von einem Monat und eine Sanktion bei Nichteinhaltung. Zudem bestehen Dienstplanänderungsvorgaben mit weiteren Sanktionen und ein Zuschlag bei der Leistung von Rufbereitschaft (vgl. Günther in: Sponer/Steinherr, TVöD/TV-L-GK, Spartentarifverträge, TV-Ärzte-VKA, § 10 Rn. 25). Derartige Regelungen sind im gesundheitlichen Bereich nicht mehr unüblich. So enthält seit Juli 2023 der TV Ärzte Charité, welchen der Marburger Bund mit der Charité abgeschlossen hat, in § 9 Abs. 5 eine Regelung, nach welcher ärztliche Beschäftigte, die auf Veranlassung des Arbeitgebers Bereitschaftsdienste oder Dienst in Vollarbeit leisten, einen Zuschlag i.H.v. 5% des individuellen Stundenentgelts je Stunde des jeweiligen Dienstes für alle Dienste, die der oder dem betroffenen ärztlichen Beschäftigten nicht mindestens vier Wochen vor dem ersten Geltungstag des für sie im elektronischen Dienstplansystem einsehbaren und gesicherten Sollplanes bekannt gegeben wurden.
Infrage steht hinsichtlich der Entstehung dieser tariflichen Zuschläge jedoch, was der Arbeitgeber jeweils zu tun hat, um die rechtzeitige Aufstellung des Dienstplans (TV Ärzte VKA) bzw. die Bekanntgabe des einsehbaren und gesicherten Soll-Dienstplanes (TV Ärzte Charité) zu bewirken. Mit Hinblick auf die einzuhaltenden Fristen ist insbesondere entscheidend zu klären, wie es sich auswirkt, wenn der Dienstplan zwar bekannt gegeben wird, dass erforderliche Mitbestimmungsverfahren nach dem BetrVG bzw. dem jeweils anzuwendenden LPersVG noch nicht erfolgreich abgeschlossen wurde. Denn auf den erfolgreichen Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens hat der Arbeitgeber nur einen begrenzten Einfluss, so dass eine Verweigerung der Zustimmungserteilung durch den Betriebsrat bzw. Personalrat dazu führen könnte, dass der Dienstplan einschließlich der Bereitschaftszeiten zu spät bekannt gegeben wird und dadurch individuelle Ansprüche auf Zuschläge entstehen. Mit einem solchen Anspruch eines ärztlichen Arbeitnehmers auf Zuschläge hatte sich das BAG in seinem Urteil zu befassen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Arbeitgeber war ein universitäres Krankenhaus, das die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im ärztlichen Dienst an den Vorgaben des TV Ärzte VKA ausrichtete. Der Arbeitnehmer war verpflichtet, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft zu leisten. Für die Monate Februar bis September 2020 gab die Arbeitgeberin dem Kläger Dienstpläne unter Einhaltung der Ankündigungsfrist von einem Monat aus § 10 Abs. 11 Satz 1 TV Ärzte VKA bekannt, bevor der im Universitätsklinikum gebildete Betriebsrat den Dienstplänen zugestimmt hatte. Der Betriebsrat hatte die Zustimmung verweigert und gerügt, dass die Dienstplanung gegen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes verstoße. Ein Einigungsstellenverfahren wurde nicht durchgeführt und die Zustimmung des Betriebsrats dementsprechend auch nicht ersetzt. Der Arbeitnehmer leistete 16 Bereitschaftsdienste und erhielt keinen Zuschlag nach § 10 Abs. 11 Satz 2 TV Ärzte VKA.
Da seine Geltendmachung erfolglos blieb, erhob er Klage zum Arbeitsgericht und beantragte, dass die Arbeitgeberin an ihn Zuschläge i.H.v. 1.119,72 Euro brutto zahlt. Seine Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Arbeitgeberin änderte das Landesarbeitsgericht das Urteil ab und wies die Klage ab. Die zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das BAG begründete die Abweisung der Revision damit, dass die Arbeitgeberin die Dienstpläne dem Kläger spätestens einen Monat vor Beginn des Planungszeitraums bekannt gegeben habe. Damit habe sie ihre tarifliche Pflicht erfüllt. Es komme nicht darauf an, ob der Dienstplan mit Zustimmung des Betriebsrats in Kraft gesetzt worden sei. Aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 11 Satz 1 TV Ärzte VKA ergebe sich, dass der Dienstplan lediglich „aufgestellt“ sein müsste. „Aufgestellt“ sei ein Dienstplan bereits dann, wenn der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts die nach § 106 Satz 1 GewO im Planungszeitraum anfallenden Dienste geplant und in Dienstplan den von ihm betroffenen Beschäftigten bekannt gemacht habe. Damit sei der Dienstplan in der Welt.
Es komme nicht darauf an, ob der Dienstplan den Wirksamkeitsvoraussetzungen genüge, da die Tarifvertragsparteien ergänzende Adjektive wie „gültig“ oder „rechtswirksam“ nicht ergänzend verwendet hätten. Es bestünden daher keine Anhaltspunkte dafür, dass das Direktionsrecht auch rechtswirksam hätte ausgeübt werden müssen. Zwar verstoße ein Arbeitgeber gegen die zwingenden Regelungen des BetrVG bzw. des LPersVG, wenn er einen Dienstplan in Kraft setze, dem der Betriebsrat bzw. Personalrat nicht zugestimmt habe. Die Tarifvertragsparteien hätten jedoch nicht an diese kollektivrechtliche Pflicht des Arbeitgebers angeknüpft, sondern einzig einen individuellen Anspruch der Arbeitnehmer:innen begründet. Die Sanktion diene lediglich der Absicherung der Planungssicherheit der Arbeitnehmer:innen und nicht dem Schutz der Beschäftigtenvertretungen. Diese hätten ihre eigenen Feststellungs- oder Unterlassungsansprüche. Würde man die Zahlung des Zuschlags davon abhängig machen, dass der Dienstplan auch mitbestimmungsrechtlich rechtmäßig aufgestellt wurde, wäre eine Klärung erst nach dem Stufen- und Einigungsstellenverfahren möglich, so dass das Ziel einer Absicherung der Planungssicherheit der Arbeitnehmer:innen verfehlt würde. Auch würden in einem solchen Fall Betriebe ohne Betriebsrat bzw. Personalrat an eine andere Frist gebunden sein als solche mit einer Beschäftigtenvertretung, ohne dass diese Ungleichbehandlung durch den Zweck der Tarifnorm gerechtfertigt sei. Letztlich seien die Arbeitnehmer:innen auch nicht verpflichtet, der Anweisung der Arbeitszeiten Folge zu leisten, wenn das erforderliche Mitbestimmungsverfahren nicht erfolgreich durchgeführt worden sei. Auch im Personalvertretungsrecht könne die Verletzung eines Mitbestimmungsrechts dazu führen, dass Entscheidungen des Arbeitgebers unwirksam seien. Auch hier stehe den Arbeitnehmer:innen ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Die Tarifvertragsparteien hätten die Leistungsverweigerungsrecht offenkundig als ausreichende Sanktion für die Rechtswidrigkeit der Dienstplanung angesehen und es deshalb nicht zur Voraussetzung des Zuschlags nach § 10 Abs. 11 Satz 2 TV Ärzte VKA gemacht, dass der Dienstplan auch rechtmäßig aufgestellt worden sei.


C.
Kontext der Entscheidung
Das BAG legt die Tarifnorm des § 10 Abs. 11 Satz 2 TV Ärzte VKA mit einer nachvollziehbaren Argumentation lehrbuchhaft aus. Letztlich überzeugt das gefundene Ergebnis jedoch nicht.
Der Wortlaut der Norm lässt tatsächlich nicht erkennen, dass die Tarifvertragsparteien die Aufstellung des Dienstplans, welche mitbestimmungswidrig erfolgt, nicht ausreichen lassen wollten. Der Sinn und Zweck der Norm ist es zudem, die Planungssicherheit der Arbeitnehmer:innen abzusichern. Dieses Ziel wird nach der Überzeugung des BAG dann erreicht, wenn sie rechtzeitig erfahren, dass sie zu bestimmten Zeiten zu arbeiten haben, auch wenn das erforderliche Mitbestimmungsverfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen wurde. Wird in der Folge eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats festgestellt und ggf. im Betriebsverfassungsrecht eine Unterlassung für entsprechende Verletzungen des Mitbestimmungsrechts in der Zukunft verfügt, dann ändert das für den konkreten Dienstplan nichts daran, dass dieser in der Welt ist und die Arbeitnehmer:innen mit den geplanten Zeiten planen können. Sollte ein nachfolgendes Einigungsstellenverfahren für den konkreten Planungszeitraum ergeben, dass die zu leistenden Arbeitszeiten geändert werden, so würde dies nicht mehr in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, so dass er entsprechende Zuschläge nicht zu zahlen hätte.
Hinsichtlich der öffentlichen Arbeitgeber, für welche ein Personalvertretungsrecht gilt, überzeugt in jedem Fall das Argument des BAG nicht, dass die Planungssicherheit dadurch beeinträchtigt werden würde, dass im Falle der Zustimmungsverweigerung zu einem Dienstplan ein Stufen- und Einigungsstellenverfahren durchzuführen wäre, bevor der Dienstplan bekannt gegeben werden dürfte. Das BAG beachtet hier nicht, dass die Mehrzahl der Personalvertretungsgesetze Regelungen dazu vorsehen, dass die Dienststellenleiter:in bei Maßnahmen, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen darf (Baden-Württemberg: § 88 Abs. 4; Bayern: Art. 70 Abs. 7; Brandenburg: § 61 Abs. 9 und Abs. 10; Bremen: § 58 Abs. 3; Hamburg: § 83; Hessen: §§ 69 Abs. 3, 70, 71 Abs. 3 bis 6; Mecklenburg-Vorpommern: § 62 Abs. 9; Niedersachsen: §§ 74, 72a; Nordrhein-Westfalen: § 66 Abs. 8; Rheinland-Pfalz: § 74 Abs. 6; Saarland: § 73 Abs. 7; Sachsen: § 79 Abs. 7; Sachsen-Anhalt: § 61 Abs. 5; Schleswig-Holstein: § 52 Abs. 8; Thüringen: § 69a Abs. 11; Lenders in: Altvater u.a., BPersVG, § 76 Rn. 13). Sollte die Bekanntgabe der Dienstplanung demnach zwingend erforderlich sein, um den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten, bevor das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen ist, so könnte die Dienststellenleitung eine vorläufige Regelung treffen und auch den Beschäftigten bekannt geben, so dass nicht nur das Mitbestimmungsverfahren gewahrt, sondern auch die tarifliche Frist des § 10 Abs. 11 Satz 1 TV Ärzte VKA eingehalten werden könnte. Die Argumentation des BAG hinsichtlich einer möglichen Verzögerung der Bekanntgabe der Dienstpläne greift daher für den Rechtskreis der LPersVG nicht.
Angesichts dieser Rechtsprechung bestehen zudem erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der erst zum 01.01.2020 eingeführten Regelung im TV Ärzte VKA und hinsichtlich der erst zum 01.07.2023 eingeführten Regelung in § 9 Abs. 5 Satz 1 TV Ärzte Charité dahin gehend, öffentliche Arbeitgeber zu einem rechtskonformen und den Rücksichtnahmepflichten entsprechenden Verhalten bei der Aufstellung von Dienstplänen anzuhalten. Denn eine Planungssicherheit besteht nur dort, wo sich die Arbeitnehmer:innen auch darauf verlassen können, dass der Arbeitgeber die erforderlichen Beteiligungsverfahren auch erfolgreich abgeschlossen hat und daher die bekannt gegebenen Arbeitszeiten auch Bestand haben werden, also verlässlich sind. Die Auslegung des BAG honoriert hingegen rechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers, welcher von der Verpflichtung zur Zahlung von Zuschlägen dadurch frei wird, dass er sich mitbestimmungswidrig verhält und die Dienstpläne bekannt gibt, bevor der Betriebsrat oder Personalrat zugestimmt hat, und der auch – soweit gesetzlich vorgesehen – keine vorläufige Regelung trifft.
Ein solches Verhalten begegnet insbesondere deshalb Zweifeln, weil die Tarifregelungen des TV Ärzte VKA oder auch beispielsweise TV Ärzte Charité regelmäßig bei öffentlichen Arbeitgebern angewendet werden, welche gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sind. Gerade aus dieser Gesetzesbindung leitet es die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ab, dass Personalvertretungen eben keines Unterlassungsanspruchs gegen die Dienststellenleitung bedürften, wenn ihre Mitbestimmungsrechte verletzt werden. Die Einhaltung der Mitbestimmungsgesetze ist für den öffentlichen Arbeitgeber aber nach Art. 20 Abs. 3 GG zwingend, wie sich beispielsweise aus § 79 Abs. 1 LPersVG BE ergibt. Damit ist es kaum zu vereinbaren, eine Tarifnorm dergestalt zu regeln und auszulegen, dass ein gesetzeswidriges Verhalten eines öffentlichen Arbeitgebers dazu führt, dass er finanziell bessergestellt wird als ein Arbeitgeber, der sich rechtmäßig verhält. Dies kann nicht im Sinne der Tarifvertragsparteien gewesen sein. Angesichts der Entscheidung des BAG erscheint es als angezeigt, dass die Tarifvertragsparteien ihre Regelungen hinsichtlich der rechtzeitigen Aufstellung bzw. Bekanntgabe des Dienstplans dahin gehend konkretisieren, dass das Mitbestimmungsverfahren vor Bekanntgabe abgeschlossen bzw. soweit zulässig eine vorläufige Regelung getroffen worden sein muss.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Auswirkungen des Urteils des BAG werden erheblich sein. Sie werden, wie der Quervergleich mit dem TV Ärzte Charité aufzeigt, nicht lediglich auf den Geltungsbereich des TV Ärzte VKA begrenzt sein. Arbeitgeber werden zukünftig aus Kostengründen streitige Dienstpläne den Beschäftigten bereits bekannt geben, bevor der Betriebsrat bzw. Personalrat seine Zustimmung erteilt hat oder seine Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt wurde. Durch ein solches Vorgehen kann sich der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG von der Verpflichtung befreien, Zuschläge für verspätete Bekanntgaben zahlen zu müssen. Er kann damit die tariflich vorgesehenen Sanktionen umgehen. Es liegt dann an den Beschäftigtenvertretungen, ihre Mitbestimmungsrechte jeweils für die Zukunft mit Unterlassungsansprüchen im Bereich des BetrVG abzusichern. Im Falle einer systematischen Missachtung der Mitbestimmungsrechte eines Personalrats zur Einsparung von Kosten für Zuschläge wäre zu überlegen, ob nicht auch hier versucht werden sollte, entgegen der Rechtsprechung des BVerwG Unterlassungsansprüche geltend zu machen (zur Zulässigkeit im Landesrecht vgl. Stuttmann, PersV 2021, 44). Abgesehen davon wäre der Personalrat darauf verwiesen, die Verletzung seiner Beteiligungsrechte feststellen zu lassen und gegen die Dienststellenleiter:in eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Aufsichtsbehörde zu stellen. Die Wahrnehmung eines Leistungsverweigerungsrechts durch die Arbeitnehmer:innen hingegen, welche das BAG bei Verletzung der Mitbestimmungsrechte diskutiert, ist gerade im Bereich der Pflege keine realistische Option für die Arbeitnehmer:innen, um ein zukünftiges rechtmäßiges Verhalten ihres Arbeitgebers durchsetzen zu können.



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