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Anmerkung zu:BVerwG 8. Senat, Urteil vom 01.06.2023 - 8 C 3/22
Autor:Dr. Ulla Held-Daab, Vors. Ri’inBVerwG
Erscheinungsdatum:04.12.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 12 (PBefG), § 14 PBefG, § 8a PBefG, § 13a PBefG, § 40 VwVfG, Art 12 GG, Art 3 GG, § 13 PBefG, § 12 PBefG, § 44a VwGO
Fundstelle:jurisPR-BVerwG 24/2023 Anm. 1
Herausgeber:Verein der Bundesrichter bei dem Bundesverwaltungsgericht e.V.
Zitiervorschlag:Held-Daab, jurisPR-BVerwG 24/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Erfolgreiche Klage auf Erteilung der Genehmigung zum Betrieb eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs



Leitsätze

1. § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG ermächtigt nicht dazu, nachträgliche Ergänzungen oder Änderungen nach Satz 1 der Vorschrift fristgerecht eingereichter Anträge zuzulassen, wenn bei Fristablauf mindestens ein die Anforderungen der Vorabbekanntmachung erfüllender und auch im Übrigen genehmigungsfähiger eigenwirtschaftlicher Antrag vorlag. Die nachträgliche Antragsergänzung darf dann auch nicht als neuer verspäteter Antrag behandelt und zugelassen werden.
2. Die Berücksichtigung von Ergänzungen und Änderungen gemäß § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG setzt eine allen Antragstellern gegenüber bekannt gemachte Anregung der Genehmigungsbehörde voraus.
3. Der Aufgabenträger darf das Einvernehmen zu Abweichungen von den Anforderungen der Vorabbekanntmachung gemäß § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG nicht in der Weise erteilen, dass er nur gegenüber einem von mehreren Antragstellern, die nach § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG fristgerechte eigenwirtschaftliche Anträge eingereicht haben, auf die Erfüllung solcher Anforderungen verzichtet.



A.
Problemstellung
Mit der Novellierung des Personenbeförderungsrechts 2013 hat der Gesetzgeber unter anderem das Verfahren zur Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen im öffentlichen Personenverkehr in § 12 Abs. 5 und 6 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) neu geregelt. Absatz 5 der Norm enthält Vorschriften über den Genehmigungswettbewerb eigenwirtschaftlicher Anbieter. § 12 Abs. 6 PBefG regelt das Verfahren in Fällen, in denen die zuständige Behörde beabsichtigt, einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu erteilen. Dazu muss sie eine Vorabbekanntmachung gemäß § 8a PBefG veröffentlichen. Anträge auf Genehmigung, den Verkehr eigenwirtschaftlich durchzuführen, sind gemäß § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG spätestens drei Monate nach der Vorabbekanntmachung zu stellen. Allerdings kann die Genehmigungsbehörde nach Satz 2 der Vorschrift im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger verspätete Anträge zulassen. Das BVerwG hatte zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen sie auch nachfristige Ergänzungen fristgerechter Anträge zulassen darf.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin und die Beigeladene, zwei im Omnibusverkehr tätige Unternehmen, konkurrierten um die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung für den Betrieb eines Buslinienbündels im Gebiet des Aufgabenträgers, des Beklagten zu 2. Dieser rief mit einer Vorabbekanntmachung gemäß § 8a PBefG dazu auf, binnen drei Monaten bei der Genehmigungsbehörde – dem Beklagten zu 1 – eine Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Verkehr für dieses Linienbündel zu beantragen. Dabei verlangte er unter anderem eine verbindliche Zusicherung bestimmter Qualitätsstandards gemäß § 12 Abs. 1a PBefG. Der fristgerechte Antrag der Klägerin erfüllte diese und alle weiteren Anforderungen der Vorabbekanntmachung. Der ebenfalls fristgemäß eingereichte Antrag der Beigeladenen enthielt die verlangte Zusicherung nicht. Beide Anträge leitete der Beklagte zu 1 dem Beklagten zu 2 zur Stellungnahme zu. Mehr als zwei Monate nach Ablauf der Antragsfrist teilte die Beigeladene dem Beklagten zu 1 mit, sie habe versehentlich versäumt, die ausdrückliche Zusicherung abzugeben, und reichte diese nach. Der Beklagte zu 1 übermittelte dem Beklagten zu 2 diese Ergänzung des Genehmigungsantrags zur Kenntnis. Der Beklagte zu 2 bezog sie in die fachliche Prüfung der Anträge ein und teilte dem Beklagten zu 1 mit, beide Anträge erfüllten die Mindestanforderungen, so dass alle Zusatzangebote gewertet werden könnten. Das Leistungsangebot der Klägerin bleibe nach der Bewertungsmatrix in der Gesamtpunktzahl um ca. 8% hinter dem der Beigeladenen zurück.
Unter Hinweis darauf lehnte der Beklagte zu 1 den Genehmigungsantrag der Klägerin ab, leitete das Anhörungsverfahren gemäß § 14 PBefG ein und erklärte den beteiligten Verbänden und Unternehmen, er beabsichtigte nach Vorabstimmung mit dem Beklagten zu 2, der Beigeladenen die Genehmigung zu erteilen. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrags wies der Beklagte zu 1 zurück, nachdem der Beklagte zu 2 gemäß § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG sein Einvernehmen mit der Abweichung des Antrags der Beigeladenen von der Anforderung der verbindlichen Zusicherung der verlangten Qualitätsstandards erklärt hatte. Im Widerspruchsbescheid führte der Beklagte zu 1 aus, er sehe sich an dieses Einvernehmen gebunden. Anschließend erteilte er der Beigeladenen die beantragte Genehmigung und wies auch den Widerspruch der Klägerin dagegen zurück. Ihr Widerspruch gegen die Erteilung des Einvernehmens blieb ebenfalls erfolglos.
Das VG hat die Verpflichtungsklage der Klägerin auf Erteilung der Genehmigung an sich selbst, erweitert um die Anfechtung der Genehmigung der Beigeladenen und des Einvernehmens des Beklagten zu 2, abgewiesen. Das OVG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Genehmigungsanfechtung und die Verpflichtungsklage seien unbegründet. Der Beklagte zu 1 habe den Antrag der Beigeladenen zu Recht für genehmigungsfähig gehalten. Er habe ihre nachträgliche Antragsergänzung im Einvernehmen mit dem Beklagten zu 2 gemäß § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG zulassen dürfen. Diese Spezialregelung verdränge § 12 Abs. 5 PBefG. Sie gelte nicht nur für verspätete Anträge, sondern auch und erst recht für die Ergänzung rechtzeitiger Anträge nach Fristablauf. Die Interessen konkurrierender Bewerber seien von § 12 Abs. 6 PBefG nicht geschützt. Von den beiden genehmigungsfähigen Anträgen habe der Beklagte zu 1 nach § 13 Abs. 2b PBefG ermessensfehlerfrei den mit der besten Verkehrsbedienung ausgewählt. Die Anfechtung des Einvernehmens sei nach § 44a VwGO und mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Das BVerwG hat der Revision der Klägerin stattgegeben, soweit sie die Anfechtung der Genehmigung der Beigeladenen und die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Genehmigung an die Klägerin betraf (I.). Im Übrigen – hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen das Einvernehmen – hat es die Revision zurückgewiesen (II.).
I. Die Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene sei rechtswidrig, weil deren Antrag nicht genehmigungsfähig gewesen sei. Bei Ablauf der Dreimonatsfrist habe er die Anforderungen der Vorabbekanntmachung nicht erfüllt. Die Antragsergänzung nach Fristablauf habe der Beklagte zu 1 nicht gemäß § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG zulassen dürfen. Diese Vorschrift ermächtige nicht dazu, nachfristige Ergänzungen fristgerechter, aber die Anforderungen der Vorabbekanntmachung verfehlender Anträge zuzulassen, wenn bei Fristablauf mindestens ein diese Anforderungen erfüllender und auch im Übrigen genehmigungsfähiger Antrag vorlag.
1. Wie das OVG geht das BVerwG davon aus, dass die Veröffentlichung der Vorabbekanntmachung allein die Dreimonatsfrist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG in Lauf setzt und dass der Eingang eines eigenwirtschaftlichen Genehmigungsantrags nach Vorabbekanntmachung nicht zusätzlich die – hier wie regelmäßig längere – Frist des § 12 Abs. 5 Satz 1 PBefG auslöst. Dazu verweist es auf den Wortlaut, die Systematik und den Regelungszweck der Norm. Die Neuregelung des § 12 Abs. 5 und 6 PBefG solle die verfassungsrechtlich für den Genehmigungswettbewerb geforderte Transparenz herstellen. Sie fehle, wenn der Eingang eines Antrags nach § 12 Abs. 6 PBefG stets parallel die Frist des § 12 Abs. 5 PBefG in Lauf setze. Potenzielle Mitbewerber könnten mangels gesetzlicher Pflicht zur Veröffentlichung von Anträgen nach § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG nicht erkennen, ob innerhalb der Dreimonatsfrist ein Antrag gestellt worden sei. Antragsteller blieben lange im Ungewissen darüber, ob sie eine Genehmigung erhielten. Auch der Zweck des § 12 Abs. 6 PBefG, dem Aufgabenträger Planungssicherheit zu geben, werde bei parallelem Fristlauf vereitelt.
2. Der innerhalb der Dreimonatsfrist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG eingereichte Antrag der Beigeladenen sei nicht genehmigungsfähig, weil er bei Fristablauf die Anforderungen der Vorabbekanntmachung nicht erfüllte und seine nachträgliche Ergänzung unzulässig gewesen sei. Satz 2 der Vorschrift gestatte der Genehmigungsbehörde zwar, im Einvernehmen mit dem Aufgabenträger verspätete Anträge zuzulassen. Daraus folge aber noch keine Befugnis, nach Fristablauf die Nachbesserung fristgemäßer, aber unzulänglicher Anträge zu gestatten. Eine solche Befugnis fehle jedenfalls, wenn fristgerecht mindestens ein die Anforderungen der Vorabbekanntmachung genügender und auch sonst genehmigungsfähiger Antrag eingegangen sei.
Zur Begründung verweist die Entscheidung zunächst auf den Wortlaut und den systematischen Zusammenhang des § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG. Er spricht ausdrücklich nur von der Zulassung verspäteter Anträge. Zur nachträglichen Ergänzung fristgerechter Anträge verhält er sich nicht. Darin unterscheidet er sich von § 12 Abs. 5 PBefG, der für den eigenwirtschaftlichen, nicht durch eine Vorabbekanntmachung angestoßenen Genehmigungswettbewerb nicht nur – in Satz 2 – die Zulassung verspäteter Anträge, sondern daneben in Satz 5 auch eine nachfristige Ergänzung fristgerechter Anträge vorsieht.
Die Entscheidung lässt offen, ob angesichts dessen der im Berufungsurteil gezogene Schluss a maiore ad minus tragfähig sein oder eine planwidrige Lücke in § 12 Abs. 6 PBefG gesehen werden kann, die durch entsprechende Anwendung seines Satzes 2 auf die nachfristige Ergänzung fristgerechter Anträge zu schließen wäre. Selbst unter diesen Voraussetzungen lasse sich nach der Gesetzessystematik und dem Regelungszweck keine Befugnis begründen, nachfristige Antragsergänzungen zuzulassen, wenn bei Fristablauf mindestens ein Antrag vorlag, der die Anforderungen der Vorabbekanntmachung erfüllte und auch im Übrigen genehmigungsfähig war. Die nachfristige Ergänzung dürfe dann auch nicht als neuer, verspäteter Antrag behandelt und zugelassen werden.
Die von § 12 Abs. 6 PBefG vorausgesetzte Absicht des Aufgabenträgers, eine gemeinwirtschaftliche Vergabe durchzuführen, sei in einem solchen Fall wegen des Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehrsbedienung gemäß § 8a Abs. 1 Sätze 1 und 2 PBefG nicht mehr rechtmäßig zu verwirklichen (vgl. BT-Drs. 17/8233, S. 26 zu Nr. 9, re. Sp.). Auch die doppelte Zielsetzung des § 12 Abs. 6 PBefG habe sich erledigt: Sie liege darin, Planungssicherheit für die gemeinwirtschaftliche Vergabe zu schaffen und zugleich dem Aufgabenträger eine solche Vergabe zu ersparen, wenn zumindest ein verspäteter Antrag die in der Vorabbekanntmachung geforderte Verkehrsbedienung anbiete. Der erste Zweck könne, wenn eine gemeinwirtschaftliche Vergabe ausscheide, nicht mehr verwirklicht werden. Der zweite Zweck werde schon durch den fristgerechten genehmigungsfähigen Antrag erfüllt; der Zulassung eines verspäteten Antrags bedürfe es dazu nicht mehr. Die weiteren Ziele der Neuregelung, einen fairen, chancengleichen Genehmigungswettbewerb zu sichern und einen ruinösen Wettlauf durch unbeschränktes Nachreichen oder Ergänzen von Genehmigungsanträgen zu verhindern (BT-Drs. 17/8233, S. 15), sprächen ebenfalls gegen die Zulässigkeit nachfristiger Antragsergänzungen. Die aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.10.2010 - 1 BvR 1425/10 - NVwZ 2011, 113, 114, zu § 13 PBefG a.F.) gälten für Verfahren nach § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG, in denen eigenwirtschaftliche Anträge eingereicht würden, ebenso wie für den ausschließlich eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerb gemäß § 12 Abs. 5 PBefG. Auf die im Berufungsurteil verneinte Frage, ob § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG drittschützende Wirkung entfalte, komme es danach nicht mehr an.
3. Eine Genehmigungsfähigkeit des Antrags der Beigeladenen aus anderen Gründen ergebe sich auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen weder aus § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG noch aus § 13a Abs. 2a Satz 2 oder 3 PBefG.
Dabei komme es nicht darauf an, ob § 12 Abs. 6 PBefG den Genehmigungswettbewerb nach Vorabbekanntmachung abschließend regle. Treffe dies zu, sei ein Rückgriff auf § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung schon deshalb ausgeschlossen. Normiere § 12 Abs. 6 PBefG nur die Anforderungen an eine gemeinwirtschaftliche Vergabe, sei eine Heranziehung von § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG denkbar. Jedenfalls lägen aber dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor. Zwar hätte der Beklagte zu 1 wegen des unstreitig besseren Verkehrsangebots der Beigeladenen ein öffentliches Verkehrsinteresse an der Antragsergänzung annehmen können. Es fehle jedoch die behördliche Anregung zur Ergänzung, die § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG – in Abkehr von der früheren Rechtslage – fordere. Damit beuge er einem ruinösen Genehmigungswettlauf vor und stelle sicher, dass Antragsergänzungen und -änderungen nicht mehr eigeninitiativ, sondern nur auf Initiative der Genehmigungsbehörde und in einem transparenten und chancengleichen Verfahren zugelassen würden.
Das Angebot der Beigeladenen sei auch nicht gemäß § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG wegen des Einvernehmens des Beklagten zu 2 mit den Abweichungen von der Vorabbekanntmachung genehmigungsfähig gewesen. Dabei könne offenbleiben, ob das Einvernehmen zumindest konkludent beantragt worden sei. Es sei jedenfalls ermessensfehlerhaft, nämlich im Widerspruch zum Zweck der Ermächtigung (§ 40 VwVfG), erteilt worden. § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG solle den Gesetzesmaterialien zufolge Antragskonkurrenzen zwischen unternehmens- und aufgabenträgerinitiierten Verkehren regeln. Der Aufgabenträger dürfe durch die Erteilung seines Einvernehmens nachträglich auf Anforderungen der Vorabbekanntmachung verzichten, um sich eine sonst erforderliche gemeinwirtschaftliche Vergabe zu ersparen. Von diesem Zweck sei nicht gedeckt, nur zugunsten eines von mehreren Antragstellern auf Anforderungen zu verzichten, um dessen Antrag zur Genehmigungsfähigkeit zu verhelfen. Ein solcher Eingriff in den Genehmigungswettbewerb sei mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Transparenz und Chancengleichheit im Genehmigungsverfahren nicht zu vereinbaren.
Ohne das Einvernehmen sei das Angebot der Beigeladenen nicht genehmigungsfähig. Die Abweichungen von den Anforderungen der Vorabbekanntmachung seien nach § 13 Abs. 2a Sätze 3 und 4 PBefG nicht nur unwesentlich und deshalb unbeachtlich. Das ergebe sich schon daraus, dass sie auch Fragen der Barrierefreiheit beträfen.
4. Der Verpflichtungsklage auf Erteilung der Genehmigung an die Klägerin hat die Entscheidung stattgegeben, weil die berufungsgerichtlichen Feststellungen eine abschließende Beurteilung ermöglichten und der Antrag der Klägerin danach als einziger genehmigungsfähiger Antrag verblieb.
II. Die Abweisung der Anfechtungsklage gegen die Erteilung des Einvernehmens hat das BVerwG bestätigt. Zwar lasse sich das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag nicht verneinen. Dessen Unzulässigkeit ergebe sich aber aus § 44a VwGO.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Novellierung des Personenbeförderungsrechts, in deren Rahmen § 12 Abs. 5 und 6 PBefG in das Gesetz eingefügt wurden, diente der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007. Sie gelang erst spät, weil mehrere Versuche, einen mehrheitsfähigen Entwurf zur Neuregelung zu schaffen, scheiterten (vgl. Saxinger/Winnes, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, Stand November 2022, Vorwort S. 1).
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens zur Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen hatte das BVerfG in einem Beschluss zur vorherigen Fassung des PBefG erläutert (BVerfG, Beschl. v. 11.10.2010 - 1 BvR 1425/10 - NVwZ 2011, 113, 114, zu § 13 PBefG a.F.). Ihnen wollte der Gesetzgeber bei der Neuregelung in § 12 Abs. 5 und 6 PBefG Rechnung tragen. Die Entscheidung greift diesen Regelungszweck auf. Sie hebt hervor, dass die grundrechtlichen Anforderungen an Transparenz und Chancengleichheit (Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG) nicht nur für den ausschließlich eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerb nach § 12 Abs. 5 PBefG gelten, sondern auch für das in § 12 Abs. 6 PBefG geregelte Verfahren nach Vorabbekanntmachung, wenn dort eigenwirtschaftliche Anträge von Grundrechtsberechtigten gestellt werden.
In ihren Ausführungen zum Begriff des öffentlichen Verkehrsinteresses schließt die Entscheidung an die Rechtsprechung des früher zuständigen 3. Revisionssenats an. Wie diese (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2010 - 3 C 14/09 Rn. 21 - BVerwGE 137, 199) geht sie (in Rn. 35) von einem Beurteilungsspielraum der zuständigen Behörde aus. Zu dessen Grenzen äußert sie sich mangels Entscheidungserheblichkeit nicht.
Ob es nach § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG genügt, gegenüber allen Antragstellern auf die Erfüllung der Anforderungen der Vorabbekanntmachung zu verzichten und allen zu gestatten, ihr Angebot neu zu fassen, oder ob in einer solchen Situation die Vorabbekanntmachung korrigiert werden muss (dafür Winnes in: Saxinger/Winnes, a.a.O., § 13 Abs. 2a Rn. 57), konnte das BVerwG ebenfalls offenlassen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Dreimonatsfrist des § 12 Abs. 6 Satz 1 PBefG ist ernst zu nehmen. Antragsteller sind gut beraten, sich rechtzeitig vor Ablauf der Frist zu vergewissern, dass ihr Antrag sämtliche Anforderungen der Vorabbekanntmachung erfüllt und auch im Übrigen genehmigungsfähig ist. Sie können nicht damit rechnen, nachfristige Antragsergänzungen abgeben zu dürfen. Allerdings brauchen sie, wenn sie einen fristgerechten genehmigungsfähigen Antrag einreichen, auch nicht hinzunehmen, dass ihnen im Genehmigungsverfahren Mitbewerber mit unzulänglichen, erst nach Fristablauf nachgebesserten Anträgen vorgezogen werden.
Die Genehmigungsbehörden dürfen eine nachträgliche Ergänzung fristgerechter Anträge nicht zulassen, wenn bei Fristablauf mindestens ein die Anforderungen der Vorabbekanntmachung erfüllender und auch sonst genehmigungsfähiger Antrag vorlag. In diesem Fall ermächtigt § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG weder zur Zulassung verspäteter Anträge noch zur Zulassung nachträglicher Ergänzung oder Nachbesserung fristgerechter, aber unzulänglicher Anträge. Dies gilt auch, wenn die Zulassung darauf zielt, einem qualitativ besseren Angebot zur Genehmigungsfähigkeit zu verhelfen, um es in die Auswahl einbeziehen zu können. § 12 Abs. 6 Satz 2 PBefG ermächtigt nicht zu einem solchen, weder mit dem Transparenzgebot noch mit der Chancengleichheit zu vereinbarenden behördlichen „Nachsteuern“.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
In prozessualer Hinsicht verdeutlicht die Entscheidung, dass das Einvernehmen mit einer Abweichung von den Anforderungen der Vorabbekanntmachung nach § 44a VwGO nicht isoliert angefochten, sondern nur mit dem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung über die Genehmigung angegriffen werden kann.



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