juris PraxisReporte

Autor:Dr. Michael Burrack, RA und FA für Verwaltungsrecht
Erscheinungsdatum:07.12.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 24 EEG 2009, § 15 ROG, § 4 ROG, § 6 ROG, § 7 ROG, § 8 BBauG, § 5 BBauG, § 34 BBauG, Art 28 GG, § 37 EEG 2014, § 38 BBauG, § 48 EEG 2009, § 48 EEG 2014, § 36 BBauG, § 14 BBauG, § 35 BBauG, § 8 BauNVO, § 9 BauNVO, § 11 BauNVO, § 11 BBauG, § 12 BBauG, § 1 BBauG, § 6 EEG 2009, § 331 StGB, § 25 BBauG
Fundstelle:jurisPR-ÖffBauR 12/2023 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Johannes Handschumacher, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Burrack, jurisPR-ÖffBauR 12/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Ansiedlung von Freiflächensolaranlagen - Steuerungsmöglichkeiten der Gemeinde

I. Einleitung

Die Photovoltaik hatte Ende 2022 einen Anteil von ca. 45% an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien; eine erhebliche Steigerung ist beabsichtigt.1 Mit dieser Entwicklung wächst auch das Bedürfnis der Gemeinden, die Ansiedlung solcher Anlagen zu steuern. Hier soll ein komprimierter Überblick über die Möglichkeiten der Lenkung und Einflussnahme gegeben werden, die den Kommunen zur Verfügung stehen. Da die Einflussmöglichkeiten der Gemeinden unmittelbar davon abhängen, welchem planungsrechtlichen Regime die Anlagen unterliegen, wird zunächst der rechtliche Rahmen überblicksartig dargestellt und sodann, daraus abgeleitet, auf die kommunalen Steuerungsinstrumente eingegangen.

II. Rechtlicher Rahmen

Das Genehmigungsregime für Flächensolaranlagen hängt wesentlich von der konkreten Anlagengröße und -beschaffenheit sowie von dem Anlagenstandort ab. Dabei wird die Anlagenkonfiguration nicht zuletzt durch die energierechtlichen Vorgaben determiniert.

1. Im Juli 2022 wurden Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes2 beschlossen, nach denen bis 2030 80% des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen soll. Für Freiflächensolaranlagen wird die Flächenkulisse maßvoll erweitert. Zu Konversionsflächen und verbreiterten Seitenrandstreifen kommen neue Kategorien wie Agri-PV, Floating-PV und Moor-PV hinzu. Dabei werden landwirtschaftliche und naturschutzverträgliche Aspekte berücksichtigt. Die neuen Kategorien sind in den regulären PV-Freiflächenausschreibungen integriert. Bestimmte Agri-PV-Anlagen sowie Moor-PV-Anlagen erhalten aufgrund ihrer höheren Kosten einen Bonus in den Ausschreibungen.3 Die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen in das Stromnetz wird gesetzlich mit einer garantierten Einspeisevergütung gefördert, die über Auktionen regelmäßig neu ermittelt wird. Bei Freiflächensolaranlagen ist die Förderung auf Projekte mit maximal 20 MWp („Megawatt Peak“) Leistung begrenzt; gegenwärtig entspricht das umgerechnet in etwa einer Fläche von ca. 24 ha je Projekt. Es besteht die weitere Maßgabe, dass in einer Gemeinde innerhalb eines Abstandes von 2 km die nächste förderfähige Anlage erst nach 24 Monaten in Betrieb gehen darf, da anderenfalls eine Zusammenrechnung der Anlagen nach § 24 Abs. 2 EEG erfolgt. Anlagen auf ehemaligen Deponien, Kasernen, Flugplätzen etc. können als Anlagen auf „baulichen Anlagen“ (außer Gebäuden) förderfähig sein, ohne dass die Beschränkung auf 20 MWp greift. Daneben kennt das EEG auch „kleine“ förderfähige Freiflächensolaranlagen bis zu 750 kWp („Kilowatt Peak“) mit einem festen Abnahmepreis. Für Freiflächenanlagen auf dem Gemeindegebiet dürfen Gemeinden von den Betreibern durch einseitige Zuwendung und ohne Gegenleistung bis zu 0,2 ct/kWh erhalten, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 EEG.

2. Planungsrechtlich gelten die nachstehend skizzierten Rahmenbedingungen.

a) Bereits auf der Ebene der Raumordnung und Regionalplanung können Festlegungen zu Freiflächensolaranlagen erfolgen, z.B. in Form von Eignungs- oder Vorranggebieten. Bezüglich der Einwirkungen des Raumordnungsrechts auf die gemeindliche Bauleitplanung ist zwischen Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Bauleitplanung einerseits und Zielen der Raumordnung andererseits zu unterscheiden. Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung sind in der bauleitplanerischen Abwägung zu berücksichtigen, § 4 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ROG. Im Raumordnungsverfahren werden auch Trassenalternativen geprüft, § 15 Abs. 1 Satz 3 ROG. Ziele der Raumordnung sind für die Bauleitplanung verbindlich und damit „abwägungsfest“, § 4 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ROG i.V.m. § 1 Abs. 4 BauGB. Die Gemeinde hat Ziele der Raumordnung daher strikt zu befolgen, es sei denn der jeweilige Plansatz sieht eine Abweichungsmöglichkeit vor. Daneben bleibt ihr nur die Möglichkeit, ein sog. Zielabweichungsverfahren nach § 6 Abs. 2 ROG durchzuführen oder eine Änderung des Raumordnungsplans nach § 7 Abs. 7 ROG anzustrengen. Im Rahmen des Zielabweichungsverfahrens ist das Erfordernis der Alternativenprüfung in den tatbestandlichen Voraussetzungen enthalten.4

b) Auch Flächennutzungspläne können über das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB Steuerungswirkung entfalten. Da der Flächennutzungsplan als vorbereitende Bauleitplanung eine vergleichsweise grobmaschige Vorgabe ist, über die aber für das gesamte Gemeindegebiet bereits geeignete Standorte dargestellt werden können, verbleibt für die Ebene des Bebauungsplans dabei noch Konkretisierungsspielraum.5 Die Möglichkeit eines sachlichen Teilflächennutzungsplans dürfte für Freiflächensolaranlagen allerdings gemäß den §§ 5 Abs. 2b, 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ausscheiden.

c) Soweit Flächensolaranlagen weder im Außenbereich privilegiert (§ 35 Abs. 1 BauGB) oder als sonstige Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) noch ausnahmsweise im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zugelassen werden können, bedürfen sie eines Bebauungsplans. Das Recht der Gemeinde, einen Bebauungsplan aufzustellen oder nicht aufzustellen, entspringt ihrer aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG erwachsenden Planungshoheit.6 Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen besteht danach kein Anspruch; ein solcher kann auch nicht durch Vertrag begründet werden. Weder § 1 Abs. 3 BauGB noch raumordnerische Vorgaben über § 1 Abs. 4 BauGB oder das Entwicklungsgebot in § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB vermögen zudem grundsätzlich eine strikte Erstplanungspflicht der Gemeinde zu begründen und beschränken diese auf Ausnahmefälle.7 Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass auch Fälle denkbar sind, in denen Flächensolaranlagen im Rahmen eines Planfeststellungsverfahren (mit) zugelassen werden (vgl. die §§ 37 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und 48 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2023) und so der gemeindlichen Planung entzogen sind, § 38 Satz 1 BauGB. Das ist am ehesten denkbar für Solaranlagen begleitend zu Straßen oder Schienenwegen.

d) Daneben unterscheidet das BauGB derzeit zwei Fallgruppen von im Außenbereich privilegiert zulässigen PV-Anlagen. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB sind solche PV-Anlagen privilegiert zulässig, die baulich untergeordnet auf Dach- und Außenflächen von zulässig genutzten Gebäuden (§ 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a BauGB) oder die längs und in einem Abstand von bis zu 200 Metern neben Autobahnen oder Schienenwegen (§ 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b BauGB) liegen. Damit sind keine Freiflächenanlagen angesprochen.8 § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB schafft demgegenüber eine Privilegierung für sog. „Agri-PV-Anlagen“ und hat unlängst mit dem „Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften“9 Eingang in das BauGB gefunden. Die Regelung privilegiert unter den dort genannten Voraussetzungen „besondere Solaranlagen“ i.S.d. § 48 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a bis c EEG. Damit hat der Gesetzgeber die Standortanforderungen für eine Privilegierung von Agri-PV-Anlagen abweichend von der sonstigen Systematik nicht im Baugesetzbuch selbst, sondern bereits in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a bis c EEG 2023 normiert. Diese lauten: kein Moorboden, keine Fläche innerhalb eines Naturschutzgebietes und Nationalparks sowie – zusätzlich und bei Grünland – keine Fläche innerhalb eines Natura 2000-Gebiets und kein Lebensraumtyp nach FFH-RL.

e) Als sonstige Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB können Freiflächensolaranlagen nur im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Sie werden aber in aller Regel bereits wegen ihrer Ausdehnung mit Auswirkungen verbunden sein, die z.B. den Erholungswert der Landschaft oder das Landschaftsbild beeinträchtigen können. Für die Bewertung ihrer Zulässigkeit bzw. der Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB) kommt es daher jeweils auf die konkreten örtlichen Gegebenheiten und den Einzelfall an. Der Katalog in § 35 Abs. 3 BauGB ist nicht abschließend.

III. Steuerungsmöglichkeiten

Je nachdem, welchem Zulässigkeitsregime eine Flächensolaranlage zuzuordnen ist, ergeben sich für die betroffene Gemeinde unterschiedliche Steuerungsmöglichkeiten.

1. Gegenüber nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben hat die Gemeinde keinerlei aktive Steuerungsmöglichkeit. Sie wird lediglich im Rahmen des Anlagengenehmigungsverfahrens gemäß § 36 BauGB um die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ersucht. Die Erteilung des Einvernehmens ist jedoch eine gebundene Entscheidung, bei der es ausschließlich darauf ankommt, ob das Vorhaben im fraglichen Zeitpunkt objektiv planungsrechtlich zulässig ist oder nicht, so dass das Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten planungsrechtlichen Gründen versagt werden darf.10 Auf die planerischen oder sonstigen kommunalpolitischen Vorstellungen der Gemeinde kommt es dabei nicht an. Ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen ist durch die Genehmigungsbehörde zu ersetzen. Die Gemeinde kann allerdings die Aufforderung zur Erklärung über das Einvernehmen zum Anlass nehmen, den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan zu fassen und diesen mittels einer Veränderungssperre (§ 14 BauGB) zu sichern. Auf eine solche Veränderungssperre gestützt kann das Einvernehmen versagt werden. Das setzt jedoch eine positive Planungsvorstellung voraus; die bloße Verhinderungsabsicht reicht nicht.11

Auch die Durchführung einer sog. „Konzentrationsflächenplanung“ nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB wird für Freiflächensolaranlagen praktisch nicht in Betracht kommen. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB bietet der Gemeinde die Möglichkeit, die in § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB genannten Vorhaben auf bestimmte Standorte zu konzentrieren und dafür das Gebiet im Übrigen von solchen Anlagen freizuhalten. Dieses v.a. aus dem Bereich der Steuerung von Windenergieanlagen vertraute Instrument setzt allerdings voraus, dass die Freiflächensolaranlagen unter § 35 Abs. 1 Nr. 3 (ortsgebundene Betriebe) oder Nr. 4 BauGB (Vorhaben mit besonderen Anforderungen an oder Wirkungen auf ihre Umgebung) zu fassen wären. Das dürfte jedoch im Regelfall wegen der fehlenden Ortsgebundenheit und weil solche Anlagen eben nicht vorzugsweise im Außenbereich, sondern gerade in Gewerbe- oder Sondergebieten zu verwirklichen sind, nicht der Fall sein. Materiell wäre die Gemeinde dabei zudem an die im Rahmen der Windkraftsteuerung entwickelte „Substanz-Rechtsprechung“ gebunden, nach der ein Ausschluss solcher Anlagen in Teilen des Plangebiets nur dann erreicht werden kann, wenn der Solarenergie dafür an anderer Stelle im Plangebiet „substanziell Raum verschafft“ wird. Da diese rein bodenrechtliche Vorgabe, die sog. „Verhinderungsplanungen“ unterbinden soll, nicht an Ausbauziele außerhalb des BauGB (z.B. im EEG) gebunden ist,12 müsste zunächst konkretisiert werden, ab wann „substanziell Raum“ für Flächensolaranlagen zur Verfügung gestellt ist. Zudem werden sowohl verfahrensmäßig als auch inhaltlich an derartige Planungen erhebliche Anforderungen gestellt, so dass das Instrument für eine planende Kommune auch hinsichtlich des damit verbundenen Aufwands eine erhebliche Herausforderung darstellen würde.

2. Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB kann eine Freiflächensolaranlage nur zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 BauGB insbesondere dann vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht. Will eine Gemeinde dafür sorgen, dass Freiflächensolarvorhaben sich an den genannten Planwerken (z.B. Flächennutzungs-, Landschaftsplan) als öffentlichen Belangen messen lassen müssen, dann muss sie derartige Planungen vornehmen und abschließen. Ein nur informell geäußerter bzw. nicht in einem entsprechenden Planwerk verkörperter kommunalpolitischer Wille ist insoweit nicht ausreichend.13 Bei derartigen Planungen – v.a. bei möglicher Regelung im Flächennutzungsplan – ist zu beachten, dass der Gemeinde eine reine „Verhinderungsplanung“ versagt ist;14 ein schlichter Ausschluss ist damit nicht möglich. Es bedarf auch in solchen Fällen vielmehr einer Positivplanung. Darüber hinaus ist es jeweils eine Frage der Einzelfallbeurteilung, ob ggf. ein derartiges Vorhaben die weiteren in § 35 Abs. 3 BauGB genannten Belange (z.B. Umweltbelange, Orts- und Landschaftsbild etc.) beeinträchtigt oder nicht.

3. Soweit für die Zulässigkeit von Freiflächensolaranlagen ein Bebauungsplan erforderlich ist, hat die Gemeinde allerdings eine starke Steuerungsmöglichkeit. Denn das Planungsermessen der Gemeinde erfasst neben dem „Ob“ auch das „Wie“, „Wann“ und „Wo“ planerischer Gestaltung.15 Hinsichtlich des „Ob“ und des „Wann“ bestimmt § 1 Abs. 3 BauGB, dass die Gemeinden Bebauungspläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dabei ist die städtebauliche Entwicklung im Gemeindegebiet ihrerseits der Gemeinde und ihrer kommunalpolitischen Willensbildung vorbehalten.

In Bezug auf das „Wie“ und das „Wo“ unterliegt die Gemeinde neben ihren eigenen planerischen Vorstellungen allgemein dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB.

In Bezug auf die Art der Nutzung dürften Flächensolaranlagen, so wie auch Windenergieanlagen, bauplanungsrechtlich als gewerbliche Anlagen einzustufen und als solche in Gewerbe- und Industriegebieten (§§ 8, 9 BauNVO) allgemein zulässig sein.16 Soweit ein Baugebiet allerdings ausschließlich für derartige Anlagen genutzt werden soll, wird die Festsetzung eines entsprechenden Sondergebiets nach § 11 Abs. 2 BauNVO geboten sein, z.B. als „Sondergebiet für regenerative Energie – Photovoltaik“ oder „Solarpark“.

Schließlich können über § 1 Abs. 6 BauGB auch gemeindliche Entwicklungsvorstellungen in der Form vorab festgelegter Standortkonzepte (soweit diese nicht bereits Eingang in einen Flächennutzungsplan gefunden haben) und/oder Entwicklungskriterien zur Anwendung gebracht werden. Nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer sonstigen städtebaulichen Planung zu berücksichtigen. Diese Vorschrift erfasst sog. „informelle städtebauliche Planungen“. Städtebauliche Entwicklungskonzepte i.S.d. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB entfalten für nachfolgende Bebauungspläne zwar keine unmittelbare und strikte rechtliche Bindung und können keine strikte Bindung des Planungsermessens begründen. Sie sind jedoch in die Abwägung einzustellen.17 Weicht die Gemeinde von einem solchen Konzept ab, muss ihr die Tatsache der Abweichung daher bewusst und die Abweichungsgründe müssen abwägungsfehlerfrei sein.18

Flächensolaranlagen werden regelmäßig in Konkurrenz zu anderen gewerblichen oder v.a. auch landwirtschaftlichen Nutzungen stehen. Egal, ob die Kommune über eine Kombination von Solar- mit sonstigen Nutzungen (z.B. durch aufgeständerte Agri-PV-Anlagen) oder über eine reine Solarnutzung nachdenkt, erscheint es zweckmäßig und naheliegend, Baurecht nicht über allgemeine „Angebotspläne“ zu schaffen, sondern im Wege von jeweils vorhabenbezogenen Bebauungsplänen nach § 12 BauGB. Denn jene bieten zum einen den Vorteil, dass sie den Planungs- und Kostenaufwand für die Gemeinden geringhalten, indem diese anlassbezogen planen und dabei den Vorhabenträger die Planungs- und Erschließungskosten auferlegen können. Ferner kann („soll“) das Planungsrecht bei Nichtrealisierung des Vorhabens wieder aufgehoben werden, § 12 Abs. 6 BauGB. Zum anderen wirkt sich für die Vorhabenträger positiv aus, dass die Planung auf ihr konkretes Projekt maßgeschneidert ist und sie dadurch ein hohes Maß an Rechtssicherheit auch für spätere Genehmigungsverfahren erlangen.19

4. Zur Konkretisierung der Pflichten im Zusammenhang mit der Aufstellung von Bebauungsplänen steht den Gemeinden zudem das Instrumentarium der städtebaulichen Verträge zur Verfügung, um Flächeneigentümer bzw. Vorhabenträger in unterschiedlicher Weise zu verpflichten (z.B. Folgekosten-, Erschließungs- oder sog. Zielbindungsverträge nach § 11 BauGB oder Durchführungsverträge nach § 12 BauGB). Dabei gilt für die Gemeinden im Gegensatz zu Privaten nur eingeschränkt der Grundsatz der Vertragsfreiheit; sie unterliegen vielmehr umfassenden gesetzlichen Vorgaben, so v.a. dem Verbot der Planbindung, dem Koppelungsverbot, dem Angemessenheitsgrundsatz und dem Verbot des Machtmissbrauchs.20 Daher ist jeweils im Einzelfall genau zu überprüfen, ob und inwieweit die Bindung an bestimmte Kriterien festgeschrieben werden kann und ob die wechselseitigen Leistungen und Pflichten in Ansehung der gesetzlichen Vorgaben zulässig sind und in einem angemessenen Verhältnis stehen. In Bezug auf Freiflächenanlagen kann zwar eine Zuwendung des Betreibers an die Gemeinde i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 EEG vereinbart werden, da sie gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Aber bei Zuwendungen an die Gemeinde, die keinen ursächlichen Vorhabenbezug aufweisen, ist äußerste Zurückhaltung geboten. Anderenfalls besteht die Gefahr der Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung nach § 331 Abs. 1 StGB.21

5. Nicht nur als Grundlage für gemeindliche Standortkonzepte (vgl.o. III. 3) stellen Gemeinden teilweise umfangreiche Kriterienkataloge auf, die zumeist formell beschlossen und dann publik gemacht werden. Auf deren Grundlage soll in der Regel das Entschließungsermessen bei der Entscheidung über die Aufstellung von Bebauungsplänen ausgeübt werden. Soweit sie nicht den Grad eines informellen städtebaulichen Entwicklungskonzepts (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB) erreichen, wird man sie als verwaltungsinterne Leitlinien ansehen müssen. Soweit solche Kriterienkataloge standortbezogene Kriterien bzw. solche mit städtebaulich relevantem Inhalt statuieren, dürfte dies unproblematisch möglich sein. Wenn sich die Gemeinde diese – üblicherweise durch Beschluss der Gemeindevertretung – zu eigen macht, sind sie in der Abwägung zu beachten. Soweit derartige Kriterien aber nicht standort-, sondern betreiber- oder betriebsbezogen ausgestaltet werden, indem beispielsweise die Entscheidung über die Aufstellung eines Bebauungsplans von bestimmten, über § 6 Abs. 1 Nr. 2 EEG hinausgehenden Teilhabemöglichkeiten der Gemeinde abhängig gemacht wird, ist Vorsicht geboten. Insoweit steht eine Strafbarkeit nach den §§ 331 ff. StGB im Raum. Auch die Bevorzugung ortsansässiger oder regional tätiger Vorhabenträger auf der Grundlage derartiger Kriterienkataloge erscheint problematisch; insoweit dürften die Beschränkungen gelten, denen auch „Einheimischenmodelle“ unterliegen.22

6. Weitere Steuerungsansätze können sich für die Gemeinde auch außerhalb des unmittelbaren Baurechts ergeben. Beispielhaft zu nennen ist an dieser Stelle vor allem der Einfluss auf den Grundstücksverkehr, insbesondere über Vorkaufsrechte (§ 25 BauGB) oder die Vergabe kommunaler Grundstücke. Soweit eine Gemeinde selbst über Grundstücke verfügt, ist darauf hinzuweisen, dass sie Flächen für Freiflächensolaranlagen zu Verfügung stellen kann (ggf. orientiert an entsprechenden Kriterien und an Vergaberecht), aber keineswegs zur Verfügung stellen muss.


Fußnoten


1)

BMWK, Photovoltaik-Strategie, Stand 05.05.2023; abrufbar unter: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/photovoltaik-stategie-2023.pdf, abgerufen am 29.11.2023.

2)

Erneuerbare-Energien-Gesetz v. 21.07.2014 (BGBl I, 1066), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes v. 26.07.2023 (BGBl 2023 I Nr. 202) - EEG 2023.

3)

Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/erneuerbare-energien.html, abgerufen am 29.11.2023.

4)

Vgl. dazu u.a. Weiß/Wurster, VBlBW 2011, 252 m.w.N.

5)

Vgl. Petz in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 4. Aufl. 2022, § 8 Rn. 23 ff.; Schrödter/Möller in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 8 Rn. 13 ff.; grundlegend bereits BVerwG, Urt. v. 28.02.1975 - IV C 74.72.

6)

Vgl. u.a. Engels in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 28 Rn. 53; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 28 Rn. 31.

7)

Vgl. dazu Külpmann, jurisPR-BVerwG 3/2020 Anm. 5; Dirnberger in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 1 Rn. 45.

8)

So auch OVG Bautzen, Urt. v. 06.07.2017 - 1 A 117/16.

9)

BGBl. I 2023 Nr. 176.

10)

Vgl. Hofmeister in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 36 Rn. 22; VG Schleswig, Beschl. v. 03.06.2019 - 2 B 23/19; OVG Münster, Urt. v. 30.09.2014 - 8 A 460/13.

11)

Vgl. Rieger in: Schrödter, BauGB, § 36 Rn. 18 m.w.N.

12)

Vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15/01.

13)

Vgl. u.a. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Lfg. 136, § 35 Rn. 79; Söfker in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 35 Rn. 66 ff.; in dem Sinne bereits BVerwG, Urt. v. 20.01.1984 - 4 C 70/79.

14)

Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 29.09.2016 - 2 A 248/15; BVerwG, Beschl. v. 15.03.2012 - 4 BN 9/12.

15)

Dirnberger in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 1 Rn. 45.1.

16)

Vgl. zu Windkraftanlagen OVG Lüneburg, Urt. v. 25.06.2015 - 12 LC 230/14.

17)

Vgl. Dirnberger in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 1 Rn. 129.

18)

Vgl. dazu u.a. Dirnberger in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 1 Rn. 126 ff.

19)

Vgl. dazu den Überblick bei Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 12 Rn. 1 ff.

20)

Vgl. dazu u.a. Hoffmann in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 11 Rn. 34 ff.; Kukk in: Schrödter, BauGB, § 11 Rn. 62 ff.

21)

Aufschlussreich dazu: Köpfler, CB 2017, 476.

22)

Vgl. dazu Burrack, jurisPR-ÖffBauR 7/2023 Anm. 4.


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