juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BFH 6. Senat, Beschluss vom 29.02.2024 - VI S 24/23
Autor:Dr. Stephan Geserich, RiBFH
Erscheinungsdatum:06.05.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 117 EStG, § 33 FGO, § 38 FGO, § 39 FGO, § 118 FGO, § 35 ZPO, § 21 ZPO, § 17 ZPO, § 115 EStG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 18/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Geserich, jurisPR-SteuerR 18/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Geltendmachung der Energiepreispauschale durch Abgabe der Einkommensteuererklärung



Leitsätze

1. Eine vom Arbeitgeber nicht ausgezahlte Energiepreispauschale ist vom Arbeitnehmer nicht gegenüber dem Arbeitgeber, sondern im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für 2022 durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung geltend zu machen.
2. Kommt das Finanzamt der Festsetzung der Energiepreispauschale nicht nach, kann diese nach Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Finanzgericht erstritten werden.



A.
Problemstellung
Streitig ist, wie eine vom Arbeitgeber nicht ausgezahlte Energiepreispauschale geltend zu machen ist.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte ist eine beim Amtsgericht in A mit der Geschäftsanschrift X-Straße 21 in A eingetragene GmbH. Der in B wohnhafte Kläger war auf Grundlage eines am 26.09.2022 mit der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrags ab dem 28.09.2022 bei Kunden der Beklagten im Rahmen einer von der Agentur für Arbeit in A erlaubten Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt. Als Arbeitgeber ist im vorgenannten Arbeitsvertrag die Beklagte mit dem Zusatz „Niederlassung C“ bezeichnet. Diese Niederlassung ist unter der Anschrift Y-Straße 30 in C ansässig. Diese Anschrift ist auch mittels Firmenstempel auf dem Arbeitsvertrag aufgebracht. Die Beklagte zahlte dem Kläger keine Energiepreispauschale aus. Ferner waren Lohnansprüche für September 2022 und Oktober 2022 streitig. Deshalb erhob der Kläger gegen die Beklagte Klage vor dem Arbeitsgericht in C.
Mit Beschluss vom 05.07.2023 hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit auf Zahlung der Energiepreispauschale abgetrennt und an das Finanzgericht verwiesen. Die Beteiligten haben diesen Beschluss nicht angefochten. Das Finanzgericht hat den BFH zwecks Entscheidung darüber angerufen, welches Finanzgericht im vorliegenden Rechtsstreit örtlich zuständig ist (FG Kassel, Beschl. v. 03.11.2023 - 4 K 867/23). Dieser hat als örtlich zuständiges Gericht das (ersuchende) Finanzgericht bestimmt, da sich die Niederlassung der Beklagten in C und damit in dessen Bezirk befindet.


C.
Kontext der Entscheidung
Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 FGO wird das zuständige Finanzgericht durch den BFH bestimmt, wenn der Finanzrechtsweg – wie vorliegend – eröffnet ist (bei dem Streit über die Auszahlung einer Energiepreispauschale handelt es sich, jedenfalls soweit sie noch nicht nach § 117 EStG ausgezahlt ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, zu deren Entscheidung die Finanzgerichte nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO berufen sind) und eine örtliche Zuständigkeit nach § 38 FGO nicht gegeben ist. § 38 FGO geht für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit davon aus, dass es sich bei dem Beklagten um eine (Finanz-)Behörde handelt; eine juristische Person des privaten Rechts als Beklagten kennt die Vorschrift nicht. Deshalb lässt sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach § 38 FGO bestimmen, wenn der Beklagte – wie im Streitfall – die Rechtsform einer GmbH hat. Insoweit entsteht jedenfalls im Anschluss an eine hinsichtlich des Rechtswegs bindende Verweisung eine Lücke, die die Anwendung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 FGO eröffnet (BFH, Beschl. v. 10.02.2012 - VI S 10/11 - BFH/NV 2012, 771). Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist in solchen Fällen regelmäßig maßgebend, in welchem Finanzgerichtsbezirk der Beklagte seinen Sitz hat. Dies folgt aus der allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundregel, wonach hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit auf den Sitz des Beklagten abzustellen ist. Danach wäre die örtliche Zuständigkeit des Finanzgerichts grundsätzlich nach dem Sitz der Beklagten in A zu bestimmen. Im Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis ausweislich des vorgelegten Arbeitsvertrags direkt mit der Niederlassung der Beklagten in C geschlossen hat und nach den für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgerichts von dieser Niederlassung das Arbeitsverhältnis – wenn auch nur mittelbar – gelenkt worden ist. Für arbeits- und zivilrechtliche Streitigkeiten ist damit nach § 21 Abs. 1 ZPO der besondere Gerichtsstand der Niederlassung neben dem allgemeinen Gerichtsstand juristischer Personen nach § 17 Abs. 1 ZPO begründet. Unter mehreren zuständigen Gerichten hat der Kläger die Wahl (§ 35 ZPO), deren Ausübung regelmäßig durch die Klageerhebung erfolgt. Im Streitfall hat der Kläger sein Wahlrecht dahin ausgeübt, dass er seine Klage an das nach dem besonderen Gerichtsstand der Niederlassung (§ 21 ZPO) zuständige Arbeitsgericht in C und nicht an das nach § 17 ZPO zuständige Arbeitsgericht in A gerichtet hat. Der beschließende Senat hält es angesichts dessen für sachgerecht, für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Finanzgerichts dieser Entscheidung des Klägers zu folgen und von einer Bestimmung eines anderen – auch des allgemeinen – Gerichtsstands abzusehen. Damit ist vorliegend das Finanzgericht örtlich zuständig, da sich die Niederlassung der Beklagten in C und damit in dessen Bezirk befindet.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für Ansprüche auf Gewährung der Energiepreispauschale ist der Finanzrechtsweg eröffnet. Das ist durch die Besprechungsentscheidung nunmehr höchstrichterlich geklärt. Viel geholfen ist dem Kläger im Streitfall damit jedoch nicht. Denn für die Klage gegen die Beklagte als Arbeitgeber besteht kein Rechtsschutzinteresse, weil dieser nicht Schuldner der Energiepreispauschale ist. Vielmehr erfüllt die Beklagte durch die Auszahlung der Energiepreispauschale weder eine arbeitsvertragliche Leistungspflicht noch eine Zahlungspflicht, die ihr als selbst zu erbringende Arbeitgeberleistung durch den Gesetzgeber auferlegt ist, sondern allein eine ihr durch den Gesetzgeber auferlegte Pflicht einer Zahlstelle (FG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 18.10.2023 - 1 K 163/23). Solange die Energiepreispauschale daher noch nicht i.S.d. § 115 Abs. 2 EStG ausgezahlt worden ist, muss der Kläger daher als Gläubiger der Energiepreispauschale grundsätzlich gemäß § 115 Abs. 1 EStG gegenüber dem Finanzamt die Festsetzung durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2022 geltend machen (s. Weber-Grellet, jurisPR-ArbR 9/2023 Anm. 7). Entsprechendes war im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!